Traditionelle Thai Massage – Entspannend! … und Heilsam?


„Nuad Phaen Boran“, die klassische, traditionelle Thai Massage, umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Massagetechniken und ein breites Anwendungsspektrum. Auf dem Foto wird exemplarisch eine „Hot Stone“ Anwendung abgebildet.

„Nuad Phaen Boran“, die über 2500 Jahre alte traditionelle Massage Art der Thais findet auch in Deutschland immer mehr Zuspruch. Können diese Anwendungen, die in Deutschland als Wellnessmassagen angeboten werden, mehr als „nur“ entspannende Wirkung entfalten? Eine klinische Studie aus Kanada scheint solche zusätzlich gesundheitlichen Effekte zu bestätigen.

Nahezu jeder, der sich schon einmal eine traditionelle Thai Massage gegönnt hat, wird bestätigen können, dass sie obgleich mit Kraft und Druck durchgeführt, ausgesprochen entspannend wirkt.

Insofern sollte es nicht schwerfallen, hinter „entspannend“ ein Ausrufungszeichen zu setzen – aber kann diese und andere Massagearten darüber hinaus in Anspruch nehmen „heilsam“ zu sein?

Ganzheitliche Betrachtung von Entspannung und Heilung

Um sich der Beantwortung dieser Frage zu nähern, ist zunächst eine Begriffsklärung wichtig. Auffällig ist, dass „Entspannung“ und „Heilung“ häufig im direkten Zusammenhang genannt werden. So wird Entspannung als Voraussetzung bewertet, damit sich der Organismus regenerieren, erholen und letztlich heilen kann.

Das gilt sowohl für unseren Körper als auch für unsere Psyche. Wenn wir uns in einem entspannten Zustand befinden, übernimmt der Parasympathikus das Ruder. Das ist der Bereich unseres Nervensystems, der für die Regeneration und die Erholung unseres Körpers zuständig ist.

Im Zustand der Entspannung wird u. a., Blutdruck, Puls sowie die Ausschüttung von Stresshormonen, (z. B. Adrenalin, Cortisol), gesenkt.

Entspannung ist somit ein wichtiger Part, um nicht zu sagen, die Voraussetzung für die Selbstheilungskräfte unseres Organismus. Eine starre Trennung zwischen Körper und Geist, zwischen Physis und Psyche, erscheint daher nicht sinnvoll. Das ganzheitliche Verständnis des Menschen, das in den traditionellen asiatischen Heilverfahren, wie z. B. der Akupunktur, Ayurveda und der Thai Massage selbstverständlich ist, betont und berücksichtigt dies. Yin und Yang, Physis und Psyche, Körper und Seele sind ineinandergreifende Puzzleteile, die sich gegenseitig beeinflussen, ergänzen und steuern.

Welche „Techniken“ kommen bei einer traditionellen Thai Massage zum Tragen?

Im Rahmen der Anwendung der traditionellen Thai Massage wird der Körper insbesondere durch intensives Kneten und Strecken von Muskeln, Sehnen und Bindegewebsstrukturen massiert. Unterstützt wird diese Massagetechnik durch Druckreize auf genau definierte Akupressurpunkte.

Es ist unmittelbar nachvollziehbar, dass durch die Dehnung der genannten Strukturen, eine Lockerung dieser Gewebearten erreicht werden kann: Die Muskulatur entspannt sich, Verklebungen innerhalb des Muskel- und Bindegewebes können gelöst, Schmerzen gelindert werden. Zudem kann bei einer kompetent durchgeführten Thai Massage auch der Abfluss der Lymphe angeregt werden.

Aktivierung unterschiedlicher Stoffwechselprozesse auf zellulärer Ebene 

Um die heilende Wirkung wissenschaftlich zu untermauern, scheint es sinnvoll, sich die durch Massagen ausgelösten zellulären Veränderungen anzuschauen. Ändert sich durch ihre Einwirkung etwas im Zellstoffwechsel, und wenn ja – in welcher Weise und mit welchen Auswirkungen könnte das auf den Organismus haben?

Gerade unsere Körperzellen als kleinste eigenständige biologische Einheiten unseres Körpers sind ein Wunder des Lebens. In ihnen laufen eine Vielzahl biochemischer Vorgänge ab, die ganz entscheidenden Einfluss auf unser Wohlergehen haben.

Wir selbst können viel für das richtige Zusammenspiel unserer Körperzellen beitragen.
Stichwörter sind in diesen Zusammenhang u. a.:

  • Gesunde Ernährung
  • Körperliche Aktivität
  • Aktive Entspannungsübungen

Intensive Massagetechniken, wie z. B. die Anwendungen der traditionellen Thai Massage, scheinen ähnliche gute und ergänzende Ergebnisse zu ermöglichen. Aber können diese, von vielen zufriedenen Menschen berichteten heilsamen Effekte, auch wissenschaftlich untermauert werden?

Klinische Ergebnisse zur Wirksamkeit von Massagen

In einer kanadischen Studie1 aus dem Jahr 2012 konnte in der Tat belegt werden, dass geschädigte Skelettmuskulatur und damit einhergehende Schmerzen, durch Massageeinwirkung deutlich vermindert werden.

Studiendurchführung

In dieser Studie wurden Studienteilnehmer einer ca. 70 min Belastungsübung unterzogen. Es handelte sich dabei um untrainierte Personen, bei denen durch ein individuell genau definiertes Intervalltraining auf dem Fahrradergometer, leichte Muskeltraumata, ein sog. „Muskelkater“, provoziert wurde. Nach dem Training wurde zunächst eine 10 Minuten dauernde Ruhepause eingehalten und anschließend jeweils nur ein Bein des jeweiligen Teilnehmers für 10 Minuten massiert.

Nach Abschluss der Massage und einer weiteren 10-minütigen Pause wurden in einer ersten Biopsie jeweils Muskelzellen sowohl des massierten, als auch des nicht-massierten Beins entnommen.

Eine zweite Zellentnahme wurde dann 2,5 Std. später durchgeführt.

Ergebnisse der Studie

Bereits zehn Minuten nach der Massage, stellten die Forscher in den massierten Muskelzellen gegenüber den nicht-massierten Muskeln, eine deutlich verminderte Anzahl entzündungsauslösender Proteine (Entzündungsmediatoren) fest. Das war ein wichtiger Befund, da Muskelschmerzen in erster Linie durch Entzündungen verursacht werden – d. h. je weniger Entzündungsmediatoren, desto geringer die Schmerzen.

Zweieinhalb Stunden nach der Massage fand man in den massierten Muskelzellen eine erhöhte Ausschüttung von Proteinen, die an der Gewebsreparatur, der metabolischen Fitness und Erholung beteiligt sind. Außerdem bildeten sich vermehrt sogenannte Mitochondrien, zelluläre Strukturen die zellschützende Wirkung haben. Diese Effekte waren in den nicht-massierten Muskelzellen deutlich geringer ausgeprägt.

Fazit der Studie: Nebenwirkungsarme Alternative zu Schmerzmittel

In ihrem Fazit schlussfolgern die Autoren der Studie, dass die durchgeführten Massagen u. a. durch die Senkung des Spiegels von Entzündungsmediatoren Muskelschmerzen auf ähnlicher Weise wie Schmerzmittel vom Typ der sog. nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAR) lindert.

In dem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass diese Medikamentengruppe zu den weltweit häufigst eingenommenen Präparaten gehört. Mit wenigen Nebenwirkungen könnten Massagen daher eine gute Alternative für diese Medikamente sein.

Stellenwert von Massagenanwendungen

Nicht allein die Vielzahl von Menschen die die wohltuende Wirkung der traditionellen Thai Massage bestätigen, sondern auch die o. g. klinischen Ergebnisse unterstützen die These das Massagen heilsame Effekte entfalten können.

Ein ganzheitlicher Ansatz, der neben der manuellen Einwirkung auch die ergänzende Wirkung der Entspannung berücksichtigt und nutzt, verspricht zudem den Selbstheilungsprozess optimal zu unterstützen.

Insofern glaube ich, kann die klassische traditionelle Thai Massage in Anspruch nehmen, entspannend und heilsam Veränderungen zu unterstützen. Sie stellt damit eine gute Ergänzung zu unseren eigenen Bemühungen dar, das Leben gesund, zufrieden und entspannt zu gestalten.

Ein Text von Palita Puchaemchot. Zur Autorin:
Frau Puchaemchot hat ihre Ausbildung in der traditionellen Thai Massage an der für diesen Bereich weltweit führenden Massageschule „Wat Po“ in Bangkok abgeschlossen und ist zertifizierte Nuad Phaen Boran Masseurin. Sie lebt in Oberhausen und Inhaberin des „Jan-Rung Thai Spa

1 Crane et al. Massage therapy attenuates inflammatory signaling after exercise-induced muscle damage. Sci Transl Med. 2012 Feb 1;4(119):119ra13

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